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Kompetenzvalidierung

 

Konzeptuelle Bestimmung

Kompetenzen zu validieren bedeutet, in Wert zu setzen was, eine Person kann, weiß oder in der Lage ist zu tun. Die gesamte Kompetenz einer Person, unabhängig davon, wie und wo diese angeeignet wurde, wird dazu erfasst und beurteilt, und dadurch zu einer Anerkennung in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft geführt, sodass für Arbeit und Beruf, persönliche Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe ein Mehrwert erzielt werden kann (vgl. Cedefop 2015).

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Kompetenzen zu validieren geht mit wirtschaftspolitischen Interessen einher. Die österreichische Bundesregierung hat in ihrer Validierungsstrategie zwei Zielrichtungen vorgegeben: Mit der Validierung von Kompetenzen soll ein „besseres Verständnis für den Wert von Bildung und Lernen für Gesellschaft und Arbeitsmarkt gefördert werden und es soll ein umfassenderes, ganzheitliches Bildungsverständnis entstehen“ und sie soll als „Beitrag zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit von Arbeitsmärkten, zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des wirtschaftlichen Wachstums gesehen werden“ (BMB/BMWFW 2017, Vorwort bzw. S. 9).

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Verfahrensmäßige Bestimmung

Kompetenzvalidierung meint die regelgeleitete Erfassung, Dokumentation, Beurteilung und Bestätigung aller Lernerfahrungen, die eine Person in formalen Kontexten wie Schule, Hochschule oder Lehre, in non-formalen Kontexten wie der überbetrieblichen Weiterbildung oder der allgemeinen Erwachsenenbildung, in informellen Kontexten am Arbeitsplatz und in der Freizeit oder durch selbstgesteuertes Lernen gemacht hat.

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Verfahren zur Validierung von Kompetenzen zeichnen sich dadurch aus, dass verschiedene Methoden und Instrumente zur Erfassung, Dokumentation und Beurteilung der Kompetenzen eingesetzt werden können. (Siehe Tab. 1)

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Die Methoden und Instrumente können begleitend-gestaltend (formativ) oder bilanzierend-abschließend (summativ) eingesetzt werden. Je nach Einsatz können sie den Kompetenz-Ist-Stand erfassen sowie auf Entwicklungspotenzial und Entwicklungsbedarfe hinweisen. Man unterscheidet dementsprechend eine Entwicklungsorientierung, bei der die individuelle Kompetenzentwicklung über die Lebensspanne intendiert ist und eine Anforderungsorientierung, bei der die Zuordnung der Kompetenz zu standardisierten Qualifikationsprofilen angestrebt wird (vgl. Dehnbostel/Seidel 2011).

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Tab. 1: Methoden der Kompetenzerfassung. Übernommen und erweitert von Strauch et al. 2009

Ziele von Kompetenzvalidierung

Die Validierung von nicht im formalen Bildungssystem angeeigneten Kompetenzen kann zu einer Anerkennung auf ordnungspolitischer Ebene und somit zu formalen Berechtigungen im Bildungssystem führen. Auf ordnungspolitischer Ebene werden drei Ziele angestrebt, mit deren Erreichung ein positiver Effekt für das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt entstehen soll (vgl. Klingovsky/Schmid 2018, S. 13). Durch die Aufwertung und die formelle Anerkennung von nicht im formalen Bildungssystem angeeigneten Kompetenzen, kann Validierung

  • dazu beitragen, das Bildungssystem durchlässiger zu machen, da alle Kompetenzen als gleichwertig angesehen werden und daher der Zugang zum und der Abschluss im formalen Bildungssystem erleichtert wird.

  • Die Aufwertung und Anerkennung nicht formal angeeigneter Kompetenzen kann dazu beitragen, die tatsächlichen Potenziale von Arbeitskräften für den Arbeitsmarkt aufzuzeigen, d.h. transparent und somit verwertbar zu machen, was in weiterer Folge

  • zu einer höheren Chancengleichheit und Mobilität am Arbeitsmarkt und zu einer gesteigerten Partizipation im Arbeitsleben führen kann.

Die meisten Validierungsverfahren zielen jedoch nicht auf eine Anerkennung auf ordnungspolitischer, sondern auf betrieblicher Ebene ab. Hier ist die Erfassung von Kompetenzen immer schon ein Handlungsfeld in Personalabteilungen, das jedoch nur selten unter dem Gesichtspunkt einer ganzheitlichen Validierung der Kompetenzen betrachtet wird (vgl. Gutschow 2020, S. 457). Durch eine ganzheitliche Validierung kann aber ein nicht zu unterschätzender Nutzen für ArbeitnehmerInnen wie ArbeitgeberInnen entstehen, der vor dem Hintergrund der digitalen Transformation von Arbeit an Bedeutung gewinnt.

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Nutzen von Kompetenzvalidierung für Betriebe

Kompetenzvalidierung kann grundsätzlich helfen, die Personalauswahl, die Personalentwicklung und den Personaleinsatz effektiver zu gestalten und ein nachhaltiges Kompetenzmanagement zu etablieren. Wenn vorhandene Kompetenzpotenziale bekannt sind, kann auch eine effizientere Personalbedarfsplanung durchgeführt werden (vgl. Cedefop 2014). Für die Organisation betrieblicher Arbeit besteht zudem ein Mehrwert in folgender Hinsicht (vgl. Böse/Dietzen 2017, S. 36f.).  

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Auf Seite der ArbeitgeberInnen: Ein erweiterter Zugriff auf die Kompetenzen der Arbeitskräfte ermöglicht ein gezielteres Personalmanagement im Hinblick auf die Erreichung der Unternehmensziele und auf Karriere- und Qualifizierungsentwicklungen. Beide Aspekte können vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftebedarfs und zunehmend diskontinuierlicher Erwerbsbiografien von strategischer Bedeutung sein.

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Auf Seite der ArbeitnehmerInnen: Die Sichtbarmachung und Inwertsetzung von Kompetenzpotenzialen hilft bei der individuellen Entwicklung reflexiver Handlungsfähigkeit und bildet somit die Grundlage für eine nachhaltige Teilhabe am Arbeitsprozess. Außerdem ist die Wertschätzung seitens des Unternehmens, die durch die Anerkennung aller Kompetenzen erfahren wird, ein zentraler Faktor für die Identifikation mit dem Unternehmen und der Leistungs- sowie Lernbereitschaft.

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Auf beiden Seiten: Durch den erweiterten Zugriff auf die Kompetenz der Arbeitskräfte einerseits und die Anerkennung des gesamten Kompetenzpotenzials andererseits ergibt sich die Notwendigkeit, eine größere Transparenz und Abstimmung hinsichtlich beiderseitiger Interessen, Erwartungen und Verpflichtungen herzustellen, was eine Grundbedingung moderner, kooperativ gestalteter Arbeitsorganisationsformen ist.

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Literatur

Böse, C./Dietzen, A. (2017): Kompetenzfeststellung und Anerkennung im Betrieb. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Heft 6, S. 36-39.

Cedefop (2014): Use of Validation by Enterprises for Human Resource and Career Development Purposes. Luxembourg: Publications Office of the European Union. [Cedefop = Centre Européen pour le Développement de la Formation Professionnelle]

Cedefop (2015): Europäische Leitlinien für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. [Cedefop = Centre Européen pour le Développement de la Formation Professionnelle]

Dehnbostel, P./Seidel, S. (2011): Kompetenz- und Leistungsfeststellung in der Berufsbildung. In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Heft 5, S. 6–9.

Gutschow, K. (2020): Validierung und Anerkennung informell erworbener Kompetenzen. In: Arnold, R./Lipsmeier, A./Rohs, M. (Hg.): Handbuch Berufsbildung. 3., neu bearbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer, S. 455-470.

Klingovsky, U./Schmid, M. (2018): Validieren und Anerkennen. Informell erworbene Kompetenzen sichtbar machen – eine Auslegeordnung für die Schweiz. Bern: hep Verlag.

Strauch, A./Jütten, S./Mania, E. (2009): Kompetenzerfassung in der Weiterbildung. Instrumente und Methoden situativ anwenden. Bielefeld: W. Bertelsmann.

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