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Veränderung von Arbeit

 

Problemaufriss

Quer über die Bereiche von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft herrscht Konsens darüber, dass die digitale Transformation von Arbeit, d.h. die zunehmend durch den Einsatz digitaler Technologien gerahmten Arbeitsprozesse und die oftmals daraus resultierende Reorganisation von Arbeitsorganisationsformen zu einer Veränderung der Anforderungen an arbeitstätige Personen führen. Zudem besteht ein breiter Konsens darüber, dass es vor diesem Hintergrund eine Intensivierung von Bildungsanstrengungen braucht, sodass sich arbeitstätige Personen umfangreiche Kompetenzen aneignen können und damit für aktuelle und zukünftige Anforderungen gerüstet sind. Dies bringt aber auch Ungewissheiten in Bezug auf die weitere Entwicklung von Bildungs- und Lernangeboten mit sich (vgl. Dobischat et al. 2019).

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Digitalisierung und Industrie 4.0

Megatrends wie Digitalisierung, Globalisierung, Automatisierung und demografische Entwicklung haben zu maßgeblichen Veränderungen in der Gesellschaft geführt – insbesondere auch in der Arbeitswelt. Durch sich verändernde Tätigkeitsschwerpunkte und Tätigkeitsprofile ergeben sich konsequenterweise neue Qualifizierungs- und Kompetenzanforderungen für ArbeitnehmerInnen. In vielen Bereichen reichen Fachkenntnisse nicht mehr aus, um die veränderten und großteils komplexen Tätigkeiten adäquat ausführen zu können (vgl. Eichhorst/Buhlmann 2015).

Beispielsweise ist der Umgang mit dem Hobel für einen Großteil der TischlerInnen in holzverarbeitenden Betrieben heute bedeutend weniger relevant als der Einsatz von computergesteuerten Sägen und Fräsen (vgl. vbm 2018). Veränderungen in der betrieblichen Arbeitswelt, die zu einer nahezu gänzlich digitalen Steuerung der Wertschöpfungskette führen können, werden als Vision der „Industrie 4.0“ bezeichnet. Industrie 4.0 gilt als Begriff stellvertretend für die Vorstellung einer vierten Generation der industriellen Revolution und somit für einen grundlegenden Wandel in der industriellen Produktion (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014).

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Substitution von beruflichen Tätigkeiten

Berufliche Tätigkeiten können nach dem „task-approach“ Ansatz eingeteilt werden in Routinetätigkeiten und Nicht-Routinetätigkeiten. Sowohl kognitive als auch manuelle Routinetätigkeiten sind regelbasiert und können demnach leicht von Computern übernommen werden. Routinetätigkeiten werden also nach diesem Ansatz in Zukunft immer seltener von Menschen übernommen werden. Nicht-Routinetätigkeiten können unterteilt werden in analytische, interaktive und manuelle Nicht-Routinetätigkeiten. Analytische und interaktive Nicht-Routinetätigkeiten können von Computern unterstützt werden. Manuelle Nicht-Routinetätigkeiten können in dieser Betrachtungsweise aber (noch) nicht von Computern übernommen werden und werden weiterhin von Menschen ausgeführt (vgl. Peneder et al. 2016).

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Veränderung der Arbeitsorganisation

Hartmann et al. (2017) unterscheiden zwei Extremszenarien für die Zukunft der Arbeit:

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  • das Werkzeugszenario

  • das Szenario der vollständigen Automatisierung

 

Das Werkzeugszenario geht davon aus, dass digitale Technologien in Betrieben als verlängerter Arm der Beschäftigten fungieren können. Für das Treffen von Entscheidungen stehen die individuellen Erfahrungen und das Wissen der Beschäftigten weiterhin an oberster Stelle, intelligente Maschinen aber nehmen eine unterstützende Rolle bei der Ausführung ein. Im Szenario der vollständigen Automatisierung dagegen verliert das Erfahrungswissen der Beschäftigten an Relevanz, da es bereits in digitale Wissensmanagementsysteme überführt wurde und zeit- und ortsunabhängig von allen Beteiligten abgerufen werden kann. Entscheidungen werden nicht mehr von den Beschäftigten getroffen, sondern weitestgehend von Maschinen, Robotern oder Softwaresystemen (vgl. ebd.).

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Hirsch-Kreinsen (2014) beschreibt zwei mögliche Organisationsformen der Zukunft:

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  • die polarisierte Organisation

  • die Schwarm-Organisation

 

Die polarisierte Organisation ist durch das Auseinandergehen der Qualifikationsanforderungen von dispositiven und operativen Tätigkeiten charakterisiert. Eine steigende Zahl hochqualifizierter Personen in dispositiven Tätigkeiten steht dann einer geringer werdenden Zahl an niedrig qualifizierten Arbeitskräften in einfachen und nicht automatisierbaren operativen Tätigkeiten gegenüber. Im Modell der Schwarm-Organisation werden einfache Routinetätigkeiten von Maschinen übernommen. Hochqualifizierte ArbeitnehmerInnen führen ihre Tätigkeiten dann flexibel und vorwiegend selbstorganisiert durch und sind auch keinem Arbeitsbereich mehr zugeordnet. Die Spielräume auf der Handlungs- und Entscheidungsebene sorgen nicht nur für steigernde Innovationsprozesse, sondern auch für eine lernförderliche Arbeitsumgebung (vgl. ebd.). 

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Literatur

Dobischat, R./Käpplinger, B./Molzberger, G./Münk, D. (Hg.): Bildung 2.1 für Industrie 4.0. Wiesbaden: Springer.

Eichhorst, W./Buhlmann, F. (2015): Die Zukunft der Arbeit und der Wandel der Arbeitswelt. IZA Standpunkte, (77), Bonn: Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Online: https://www.econstor.eu/handle/10419/121271

Hartmann, E.-A./Apt, W./Shajek, A./Stamm, I./Wischmann, S. (2017): Perspektiven: Industrie 4.0 – Hype oder echte Revolution? In G. Spöttl & L. Windelband (Hg.), Industrie 4.0. Risiken und Chancen für die Berufsbildung (S. 49-74). Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

Hirsch-Kreinsen, H. (2014): Wandel von Produktionsarbeit – „Industrie 4.0“. Technische Universität Dortmund. Soziologisches Arbeitspapier, (38), 1-47. Online: http://www.wiwi.tu-dortmund.de/wiwi/ts/de/forschung/veroeff/soz_arbeitspapiere/AP-SOZ-38.pdf

Peneder, M./Bock-Schappelwein, J./Firgo, M./Fritz, O./Streicher, G. (2016): Österreich im Wandel der Digitalisierung. Online: https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=58979&mime_type=application/pdf [17.06.20].

vbm = Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e.V. (Hg. 2018): Digitale Souveränität und Bildung. Gutachten. Münster: Waxmann.

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